Es war einmal schön UND günstig Wohnen in Neukölln … ?!

Es gab einmal den heutigen Bezirk Neukölln, der mit seinen alten Dorfkerne von der bäuerlichen Vergangenheit des im Laufe der Zeit entstandenen Großbezirkes zeugt, und gleichzeitig die Geschichte der ländlichen Vorortgemeinden im damaligen Berlin widerspiegelt. Neukölln bündelt auch beim Wohnen und Leben unerwartete Kontraste: Denn das Großstadtgefühl der großen Hauptstraßen wie der Johannisthaler Chaussee oder der mächtigen Blocks der Gropiusstadt kontrastriert mit der dörflichen Idylle um die alten Dorfkerne in Rixdorf, dem Britzer Garten, dem ehemaligen Gelände der Bundesgartenschau und schließlich dem Übergang in die Weiten der Mark Brandenburg am südlichen Ortsausgang. Das ist die schöne Sicht auf das Wohnen in Neukölln aus Sicht der GEWOBA.

Rathaus-Neukölln mit Altbauten
Rathaus-Neukölln mit Altbauten in der traditionsreichen Karl-Marx-Straße. Quelle: Berliner Zeitung

Günstig war einmal: In der FAS (FAZ am Sonntag) ist mir in 2011 dieses März-Wochenende dieser Artikel über Wohnen in Berlin auf den Frühstückstisch geflattert „Die Rosinenpicker aus Oslo“. In diesem Artikel geht es um einen norwegischen Immobilienfonds, der sich sanierte und vollvermietete Mietshäuser in Berlin „herauspickt“ um sie in 10 Jahren gewinnbringend wieder zu verkaufen. Am Maibachufer in Kreuzkölln sind sie schon und vermutlich auch bald wie schon andere Investoren im gesamten Nordneukölln. Denn die norwegischen Makler haben 12 primäre Investitionsgebiete festgelegt, 10 weitere gelten als Alternativen: „alle liegen innerstädtisch und in Gebieten mit guten Sozialdaten. Das sind die Verlockungen der typischen Mieterstadt Berlin. Einkünfte sind immer gesichert.“ (vgl. FAS, 6.März 2011, S. V9) Hätte ich diesen Artikel über Wohnen in Neukölln noch 2008 geschrieben, wäre die Überschrift vermutlich ähnlich der in der Berliner Morgenpost gewesen:„In Neukölln muß man steigende Mieten  nicht befürchten“ Damals lagen die Mieten tatsächlich noch um die 3,60 bis 5€ für 65qm. Das ist leider inzwischen Geschichte. Heute kostet eine Wohnung im schönen Schillerkiez mit seinen Altbauten um die 7,50€/qm für eine kleine Wohnung mit 30-40qm.

Keiner wollte nach Neukölln: Damals als der Tempelhofer Flughafen noch in Betrieb war und sich die Menschen aus 160 Nationen noch nicht für Proteste gegen Mietwucher oder für Hausbesetzungen auf die Straße gingen wie gerade in 2011 geschehen in der Liebigstraße14 in Friedrichshain. Damals als 2006 mit dem „Brandbrief“ die bis zum 2.Weltkrieg reformpädagogische Rütlischule in Rixdorf durch die Schülergewalt eine deutschlandweite Debatte über das Schulsystem auslöste. Ja, damals wurde das Bild von Neukölln als Bezirk mit gefährlichen Migratengangs auf den Straßen geprägt. Doch damals in 2008 schrieb die Zitty Berlin mit seiner Titelstory auch schon über das „rockende Neukölln“, dass „als beliebtester Künstlerkiez“ bald Prenzlberg den Rang abläuft. Ja schauen wir nun in 2011 in meinen letzten Blogbeitrag, dann scheint das heute schon fast gelungen. Das ist sehr schön, aber …

Werbung 2010 für Studentisches Wohnen bei Wohnungsbaugesellschaft StadtundLand

Veränderungen zeichnen sich langsam ab. In 2010 finden sich erste zwiegespaltene Antworten auf die Blogfrage „Neuer Trendbezirk Neukölln“ : Einerseits ist zu lesen „Da möchte ich nicht tod überm Zaun hängen“ -„Ja trendig,Assi-Trend. Wer’s mag?“

Andererseits aber auch diese Antworten „Es gibt momentan keinen anderen Bezirk, der sich so interessant wandelt und noch bezahlbare Wohnungen bietet. Auch die Preise in Cafés und Restaurants sind noch nicht auf dem Niveau von Friedrichshain und Prenzlauer Berg. Die Bewohnerstruktur wird immer vielfältiger durch viele Studenten und Künstler, die hierher gezogen sind. Trotzdem gibt es hier auch noch Urberliner, alte Handwerksbetriebe und natürlich zahllose Nationalitäten, was sich äußerst positiv in der Restaurant- und Imbissvielfalt und den verschiedenen Lebensmittelgeschäften zeigt.“

Wohnen in Neukölln heute: Eine Antwort auf die neue Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt habe ich schon eingangs gezeigt, Immobilienfonds und Investoren sichern sich in Berlin die „Sahnestückchen“ und vermehrt auch in Neukölln rund um  Schillerkiez, Tempelhofer Feld und Richardplatz. Gentrifizierung nennt sich dieser Prozess, der sich nun auch in diesen Neuköllner-Kiezen findet. Immer mehr sanierte Wohnungen für Studenten, Künstler und „Neuberliner“ sind die Folge dieser sogenannten Restrukturierung, Aufwertung und/oder Vertreibung der bisherigen meist armen Bewohner. So wandelt sich der Bezirk. Die Linke nannte 2008 diesen Prozess „Die Avantgarde der Sanierung“.

Ja liebe LeserInnen, ihr merkt hier schon wieder, da spricht die Soziologin, die jetzt wertend wird. Weil ich es grundsätzlich nicht toll finde, wenn Kommerz die Kunst, die Tradition und auch die nach dem 2. Weltkrieg (neu) gewachsene Struktur  gezielt für seine Profite manipuliert. Doch auch ich will die Entwicklung nicht aufhalten. Wenn sich etwas bewegt, tut sich auch etwas. Und das Neukölln viel bewegen kann, sehen wir an vielen schon beschrieben Stellen.

Werbekampagne DEGEWO 2010

Wohnungsalternativen bieten sich heute genug in Neukölln zu Onlineportalen wie Immonet, Immobilienscout & Co ohne gleich bis Rudow oder Marienfelde abwandern zu müssen. Neukölln hat wie jeder Bezirk in der Mieterstadt Berlin nämlich viele private Hausverwaltungen, Wohnungsbaugenossenschaften, Mitwohnzentralen für Studenten und Angebot für Mieter auf Zeit.

Typisch Neukölln-PS: Die Vhs Neukölln hat vom 7. Februar –  11. April jeden Montag in ihrem Program den Geschichtsgesprächskreis „Wohnen und Wohnverhältnisse in Neukölln von 1900 bis heute“.

Und wie wohnt ihr? Wie habt ihr eure Wohnung gefunden? Was macht das Wohnen hier für euch aus? Was möchtet ihr für euren Bezirk zur Verbesserung der Wohnqualität noch tun? Ich freue mich über Infos und Erfahrungen von euch mit dem Wohnen in Neukölln.

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4 comments

  1. Ich bin Ende letzten Jahres in den Schillerkiez gezogen. Ich habe in Mitte, Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Kreuzberg gelebt und fühle mich jetzt in Neukölln am wohlsten. Noch ist es rau, aber Kabul ist es noch lange nicht. Mir ist es egal ob sich was ändert oder ob es so bleibt.

    Wir konnten die Miete nicht mehr drücken und zahlen nun 6,5,- €/qm^2.

  2. Ein schöner Überlick bzw. Einblick in die Wohnszene von Neukölln! Es soll ja Leute geben, die ziehen von einem „Szene“-Bezirk in den nächsten also Mitte, P-Berg, F-Hain, X-Berg und jetzt vllt. Nord-Neukölln (bzw. die Kombi X-Kölln). Aber wo bleibt eigentlich der Wedding?

    Nachtrag: den obigen Kommentar habe ich erst später gesehen, bestätigt sogar die Aussage;o)

  3. Ich bin in Nordneukölln groß geworden und habe auch die berüchtigte ,,Rütli“ Schule besucht. Weggezogen bin ich erst als ich selber Kinder bekam und mehr im Grünen wohnen wollte. Ich fand es sehr traurig zu sehen dass z.b die Karl-Marx Straße immer mehr verkam.Ein Laden nach dem nächsten,die ich noch von Kindheit an kannte ,verschwand und nur noch Ramschläden einzogen. Aber das soll sich ja jetzt mit dem ,,Großprojekt“ Erneurung der Karl-Marx Straße ändern. Gestaunt habe ich als ich gesehen habe dass in dem Haus in dem meine Mutter einst wohnte jetzt ein Hostel ist.. :/ Bin auch gespannt wie es mit dem Bezirk weiter geht.. Hoffe positiv und dass die alten Mieter inklusive meiner Eltern nicht aus ihren schönen Altbauwohnungen vertrieben werden weil sie es mit der kleinen Rente nicht mehr bezahlen können.
    Denn ..einen alten Baum verpflanzt man nicht mehr..er geht sonst ein..

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